"Nur derjenige darf Aufmerksamkeit erwarten, der sie anderen auch schenkt."

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jon Christoph Berndt

Aukmerfsamkeit

Warum wir sie so oft vermissen und wie wir kriegen, was wir wollen

Econ Verlag, Berlin 2019

Broschiert, 224 Seiten, 16,99 Euro

 

Gesamtbewertung: 5/5 Punkten

Inhalt

Nein, das sind keine Tippfehler im Buchtitel, es sind zwei bewusst vertauschte Buchstaben. Denn so stellt der Autor Jon Christoph Berndt sicher, dass man über den Titel stolpert, selbst, wenn man nur flüchtig hinschaut. Berndt, der renommierte Marken- und Profilierungsexperte, weiß halt, wie man mit der immer selteneren Ressource umgeht: "Aufmerksamkeit ist heute die härteste Währung der Welt", erklärt er mit Blick auf die Informationsflut und Optionenvielfalt in unserer Gesellschaft. Scharfsinnig sensibilisiert Berndt für die Mechanismen der Aufmerksamkeitsgesellschaft. Im Social-Media-Zirkus sind wir eben nicht nur Empfänger, sondern auch Sender von Botschaften: Jeder will gesehen und beachtet werden. "Reden, Werben und Argumentieren sorgen gepaart mit Plappern, Quasseln und Schwafeln (Chatten sowieso) für die ultimative Kakophonie des Unwichtigen", schreibt der Münchner Autor. Vor allem das Smartphone, auf das wir durchschnittlich rund 250 Mal am Tag schauen, diagnostiziert er als Aufmerksamkeitskiller Nummer eins.  So wird der Druck auf Menschen und Marken, die auf Aufmerksamkeit angewiesen sind, immer größer und das Marktgeschrei immer lauter. "Wenn sogar ein ehemals so edles wie klar positioniertes Medium wie der Spiegel auf einmal anfängt, sich zu verhalten wie der Aal-Dieter auf dem Hamburger Fischmarkt, ist Eindeutigkeits- und Klarheitsgefahr im Verzug."

Mit vielen eindrucksvollen Beispielen aus dem Alltag macht Jon Christoph Bernd im ersten Drittel des Buchs deutlich, dass die Kakophonie, in der alle allen zu allem alles zu sagen haben, nicht nur den Aufbau von Beziehungen erschwert oder gar verhindert, sondern Narzissmus, unlautere Methoden und Provokationen befördert und Normen und Werte ad absurdum führt.

Der zweite Teil des Buchs ist ein Plädoyer für aktives und respektvolles Zuhören in Kombination mit Sinnstiftung. Nur, wer das steigende Bedürfnis nach Sinn und Erfüllung befriedige, werde auf Dauer beachtet werden, argumentiert Berndt.

Im dritten Teil schließlich liefert der Autor zahlreiche praktische Tipps, wie es gelingt, Aufmerksamkeit zu schenken und zu bekommen.

 

Bewertung: 5/5

Präsentation

Jon Christoph Berndt schreibt mit scharfer Florettklinge. Seine Beobachtungen der gesellschaftlichen und ökonomischen Realität sind scharfsinnig und mit feiner Ironie durchwoben. Gut verständlich verbindet er seine Analysen mit aktuellen Erkenntnissen der Neuropsychologie und Medienforschung. Es macht Freude, seinen Gedanken als Leser zu folgen. "Aukmerfsamkeit" ist ein Lesebuch mit nur wenigen Abbildungen und Grafiken - der inhaltlichen Relevanz tut dies keinen Abbruch. Lediglich die Typografie wirkt insgesamt leicht gedrängt und kleinteilig; ein, zwei Punkt mehr Schriftgröße und deutlichere Hervorhebungen etwa bei den Zusammenfassungen hätten das Buch aufgewertet.

 

Bewertung: 4/5

Praxiswert

Hier schreibt ein Praktiker über die Kommunikationswelt, die ihn und uns alle umgibt. Er präsentiert viele Beispiele und Erkenntnisse, die man einzeln schon mal irgendwo, irgendwann gelesen oder gehört hat, doch er bündelt dieses Wissen systematisch in einem tiefgründigen und zugleich unterhaltsamen Ratgeber. So liefert Jon Christoph Berndt nicht nur eine gesellschafts- und medienkritische Alltagsanalyse, bei der sich viele Leser immer wieder selbst ertappt fühlen dürften, sondern zeigt uns auch einen höchst befriedigen Ausweg auf: empathisch sein, aktiv zuhören, echtes Interesse zeigen - das sind die drei Erfolgsbausteine. Nur wer anderen Aufmerksamkeit schenkt, darf sie auch von den anderen erwarten. Das ist eine klare, eine wichtige Botschaft, die Berndt ohne erhobenen Zeigefinger, sondern mit ganz vielen Impulsen der Selbsterkenntnis vermittelt. Ein im besten Sinne nachdenklich stimmendes, aber eben auch selbstkritisch handlungsorientiertes Buch.

 

Bewertung: 5/5